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… im Segelflugzeug zu sitzen und in den Himmel aufzusteigen, sich den Wolken zu
nähern und alles andere unter sich zurück zu lassen.
Dieser Luxus ist nicht teuer. Man braucht Zeit, Mut, eine Wiese, ein Segelflugzeug
und ein paar Helfer, um in die Luft zu kommen. Bei schönen Wetter muss es nicht
unbedingt eine überfüllte Wiese im Freibad oder im Stadtpark sein. Es gibt diese
Wiese als Flugplatz. Man kommt mit dem Fahrrad hin. Ein paar Minuten – oder
eine halbe Stunde, was macht das schon?

Das Blau des Himmels. Unendliche Höhe und Grenzlinie unserer Welt zugleich.
Hellblau oder tiefblau, vollkommen klar oder diesig verwaschen. Wandelbar und
beständig. Ein Flugzeug, schwerer als Luft, eng, besetzt mit einem Piloten und
einem Passagier, leise, unabhängig und nur dem Spiel des Wetters ausgesetzt.
Zweieinhalb Kilometer hoch. Ohne Motor im Kreis in der Thermik fliegen, bei
guter Thermik in nur 20 Minuten von 0 auf 2500 Meter. Was bedeutet es, mit
Hilfe der Naturkräfte unter eine Wolke aufzusteigen und aus der Höhe
bewundernde Blicke auf die Natur zu werfen?

Man sieht viel. Die besten Plätze sind vorne. Im Segelflugzeug ist jeder Platz ein
Fensterplatz und die Fenster sind groß. Sie bieten einen weiten Rundumblick auf
die Welt in all ihrer Schönheit. Beim Start an der Winde steil in den Himmel, in
den Luftraum, im Flug auch auf die Erde.
Von weit oben nur ein bisschen Erkennbares, Felder und Wälder flächig glatt
gespachtelt. Ulm im Dunst am Horizont, ein glitzerndes Band zieht sich hindurch –
die Donau. Die Autobahn durchschneidet wie eine lange Narbe das Land, daneben
große Logistikhallen – und neben diesen Wunden nur etwas weiter Wälder, Bäche
und Wiesen.

Segelfliegen bietet wunderschöne Blicke auf unsere Welt. Segelfliegen ist ein
Erlebnis, es wurde nicht erfunden, um von hier nach da zu fliegen. Es ist langsam
und unbequem. Es ist heiß in der Sonne unter dem Plexiglas und angenehm kühl
im Schatten unter der Wolke. Es ist unangenehm kalt in großen Höhen, Eisfüße
und Sonnenbrand zur gleichen Zeit. Das Segelflugzeug kreist und kreist, fliegt
weiter zur nächsten Wolke, gewinnt die abgeflogene Höhe in der Thermik zurück,
teilt sich den Kreis mit anderen Fliegern und fliegt weiter, bevor die Wolke das
Segelflugzeug verschlingt und der Pilot im Blindflug die Orientierung verliert. Was
ist in der Wolke, hinter der Wolke? Die Wolke quillt und wird mächtig, bevor sie
wieder zerfällt. Manche Wolken werden mächtiger und steigen über 3000 Meter
hoch. Dort im Luftraum Charlie ist wenig Platz für Segelflieger, hier ziehen Airbus
und Boeing ihre Kondensstreifen. Dort wird das Fliegen zum Transportgeschäft.
Die Wolke jedoch fragt nicht nach Lufträumen, sie steigt auf bis in die
Stratosphäre – ohne Flugplan und ohne Transponder. Sie wird schwarz, gelb und
dunkelblau. Der Segelflieger kann nicht dort bleiben, er sollte nicht dort bleiben.

Der Segelflieger beeilt sich, die sichere Erde aufzusuchen, bevor ihn die Böen und
Turbulenzen ungeplant auf die Erde zurück bringen.
Beim Landeanflug erscheinen Bäume und Büsche, der Mais auf dem Feld und die
Menschen, Details werden wieder sichtbar. Dann ein Grollen, Blitze zucken aus
der Wolke. Das Segelflugzeug in den Hangar – sicher verstaut und geschützt, so
kann ihm das Wetter nichts anhaben. Die Wiese, die eben noch ein Flugplatz war,
steht nun zentimeterhoch unter Wasser. Das Blau des Himmels ist hinter der
Wolke verschwunden. Darüber zieht ein Airbus seine Kondensstreifen.

Der Segelflieger fährt heim – und erzählt morgen einem Freund, wie schön es war,
in den Himmel aufzusteigen … ein Luxus, die Welt von oben anschauen zu dürfen.

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