Am Anfang stand der Traum vom Fliegen und der Wunsch noch einmal etwas Verrücktes auf die Beine zu stellen. Eigentlich träumte ich nur von einem Rundflug in einem Segelflieger. Doch was denken die Anderen, was denkt der Freundeskreis und die eigene Familie. Und wie und wo könnte ich meinen Wunsch in die Tat umsetzen?

Schnell waren die Bedenkenträger beruhigt und ich kam durch reinen Zufall, oder war es schon Fügung, im Spätsommer 2018 mit dem Motorrad am Flugplatz in Gerstetten auf der Schwäbischen Alb vorbei. Wie es der Zufall wollte war auch noch Flugbetrieb, der mich natürlich sofort faszinierte. Nach kurzem Zusehen kam ich auch gleich mit zwei Urgesteinen ins Gespräch, die sehr offen auf mich zukamen und mir sofort sehr ausführlich über ihren faszinierenden Sport und der Möglichkeit das Fliegen im Flugsportverein Gerstetten zu erlernen, berichteten.

Auf meine Frage, ob der Pilot, wenn ich einen halbstündigen Rundflug buchen würde, auch einen Looping mit mir fliegen könnte, bekam ich breitgrinsend die Antwort. Des kriegen wir schon hin. Lange Rede kurzer Sinn. Sofort wurde das Schulungsflugzeug, die ASK 13, startklar gemacht und schon ging es mit einem Windenstart in die Luft. Der Start und der halbstündige Flug waren Erlebnisfreude pur. Meinen Looping bekam ich auch noch geschenkt und dann ging es wieder sanft zurück auf die Landebahn.

Wenn es einen Virus im Flugsport gibt, dann habe ich ihn mir hier eingefangen. Ich meldete mich sofort für das nächste Schnupperwochenende, das vier Segelflüge und einen halbstündigen Flug im Motorsegler beinhalten sollte. Ich konnte es kaum erwarten bis die Woche vorüberging und ich mich auf den Weg zum Flugplatz nach Gerstetten machen konnte. Dort wurde ich von allen sehr herzlich aufgenommen und konnte an diesem Wochenende außer den geplanten Flügen auch einen Einblick rund um das Fluggeschehen bekommen.  Ich war fasziniert und habe mich sofort im Kreise der Fliegerkameraden sehr wohl gefühlt, was mich dazu bewog, für das nächste Jahr 2019 ein Schnupperwochenende anzumelden.

Nun war die Flugsaison aber bereits zu Ende und es wurde bis Ende März 2019 kein Schulungsbetrieb durchgeführt. Es verging in den folgenden Monat kein Tag an dem ich nicht in irgendeiner Form ans Fliegen denken musste. Ich konnte es kaum erwarten bis der Winter vorüber war und ich endlich mit dem ersten Schulungsflug beginnen konnte.

Am 06.04.2019 war es dann endlich soweit. Mein erster Schulungsflug in der ASK 13 zusammen mit einem Fluglehrer. Ich war sehr aufgeregt. Alles war neu. Alles war anders. Aber es war spannend. In den folgenden drei Monaten war ich fast jedes Wochenende auf dem Flugplatz und konnte viele Schulungsflüge mit verschiedenen Fluglehrern absolvieren. Ganz langsam bekam ich ein Gefühl für das Flugzeug und die entsprechenden Flugbewegungen. Am Anfang wurden natürlich nur Starts, Platzrunden und Landungen geschult und trainiert. Am Anfang überwog die Unsicherheit. Schritt für Schritt wurde es aber besser und so kam es, dass ich nach 83 Starts Ende Juni meine ersten drei Alleinstarts durchführen durfte. Früher als ich eigentlich für mich persönlich geplant hatte. Natürlich war ich Stolz wie „Bolle“.

Von nun an durfte ich also auch, natürlich mit einem entsprechenden Flugauftrag des verantwortlichen Fluglehrers, alleine in Platznähe fliegen. Im Folgemonat wurde ich dann auf unseren Doppelsitzer die DG 1001S, umgeschult, um dann noch im Oktober die ersten Alleinflüge auf unserem Schulungseinsitzer der DG 303 durchführen zu können. Nun konnten schon erste kurze Thermikflüge gemacht werden. Ein tolles Gefühl, wenn man das erste Mal alleine länger als die seitherigen Platzrunden in der Luft sein kann.  Das erste Jahr war für mich persönlich ein voller Erfolg und hat meine Vorstellungen vom Fliegen komplett erfüllt. Bis zum Abschluss der Saison am 05.10.2019 konnte ich schon 128 Starts, davon 31 Alleinflüge, verbuchen. Das Flugfieber hatte mich vollends gepackt. Jetzt wollte ich es wissen.

Es stand der Winter vor der Tür und der Flugbetrieb wurde eingestellt. Die Flugzeuge wurden in die Hänger verfrachtet und in unserer Halle abgestellt. Da ich mir nun ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt hatte, nämlich im Folgejahr meinen Segelflugschein zu erwerben, musste ich den Winter über Theorie büffeln um dann im März 2020 beim Regierungspräsidium in Stuttgart die Prüfung abzulegen. Gleich wohl musste ich auch noch das Funksprechzeugnis BZF II erwerben. In den folgenden Monaten wurde an verschiedenen Wochenenden mit den Fluglehrern in unserem vereinseigenen Schulungsraum Theorie in den einzelnen Fächern gebüffelt. Ich selbst habe jede mir zur Verfügung stehende Zeit genutzt um mein Wissen zu erweitern und die Prüfungsfragen in neun verschiedenen Fächern durchzuarbeiten und mich für die Prüfung fit zu machen.

Und dann war es so weit. Die Anmeldung zur Prüfung wurde rechtzeitig abgegeben und ich wurde zusammen mit einem weiteren Flugschüler unseres Vereins am 10.03.2020 zur schriftlichen Prüfung nach Stuttgart eingeladen. Ich fühlte mich sehr gut vorbereitet und ging ziemlich entspannt zur Prüfung, die ich dann auch, mit für mich großem Erfolg, ablegen konnte. Der wichtigste und auch schwierigste Teil der Flugausbildung war Geschichte. Damit konnte die kommende Flugsaison kommen. Der Rest sollte jetzt auch noch geschafft werden können.

Nun kommt es aber im Leben zum Ersten immer anders und zum Zweiten wie man denkt. Die Corona-Pandemie brach über uns herein und was das für das Fliegen bedeutete haben wir ja alle erlebt.

Sollten alle Bemühungen um sonst gewesen sein? Ich sah mein Ziel schon in die Ferne schweifen. Der Saisonstart musste also auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Das war hart, aber dies traf uns alle. In den folgenden Wochen wurde ich auf eine harte Probe gestellt. Nach langen deprimierenden Wochen konnten wir dann aber am 12.05.2020 unseren Schulungsbetrieb wiederaufnehmen. Jetzt galt es dran zu bleiben. In den nächsten Monaten wurde dann an jedem Wochenende geflogen. Die F-Schleppberechtigung wurde gemacht. Schon bald wurden die Flüge immer länger und der erste Streckenflug über 50 km alleine oder 100 km mit Fluglehrer wurde geplant. Ich entschied mich dann am   04.07.2020, nach 157 Starts, für meinen Solo Streckenflug. Mit einem sehr holperigen F-Schlepp ließ ich mich in 600 m Höhe schleppen, klinkte aus und kurbelte mich im nächsten Bart auf ca. 1.500 m über unseren Platz und flog dann vorsichtig über Heidenheim nach Neresheim, dann nach Aalen Elchingen, zurück nach Gerstetten und weiter über Bad Ditzenbach nach Laichingen bis kurz vor Münsingen. Danach zurück über Oppingen bis kurz vor Amstetten wo mir dann die Luft ausging. Ich konnte keine Wolke mehr finden die mir die benötigte Höhe verschaffen hätte können um nach Gerstetten zurück zu fliegen. Also entschloss ich mich umzudrehen und möglicherweise den Flugplatz in Oppingen zu erreichen. Vor lauter Aufregung konnte ich jedoch den Flugplatz nicht mehr finden, das LX 7000 konnte ich auch nicht mehr bedienen, also entschloss ich mich zu einer Außenlandung. Weit und breit nur eine kleine Wiese in Mitten von Getreidefeldern. Wiese von oben angeschaut. Da es keine andere Möglichkeit gab, wie gelernt einen Gegenanflug, einen Queranflug und einen Endanflug eingeleitet und auf der Weise gelandet. Für mich die perfekteste Landung seit ich das fliegen angefangen hatte. Ergebnis des Fluges: 134 km inklusive perfekter Außenlandung. Also konnte dieser Ausbildungspunkt auch abgehakt werden. Nach kurzer Zeit wurde ich von unserem Vorstand Herrn Rüdiger Benz persönlich abgeholt und es konnte am Abend noch eine Menge erzählt werden.

Nun ging es vollends recht zügig weiter. Mit unseren Fluglehrern wurden immer öfters simulierte Prüfungsflüge absolviert und das Fliegen wurde mehr und mehr zur Routine. Natürlich gab es immer wieder kleine Rückschläge in Form von entsprechenden Flugfehlern, die mich aber nicht daran hinderten mein Ziel, das Fliegen zu erlernen, weiter zu verfolgen. Manchmal sogar mit übersteigertem Ehrgeiz. Durch meinen übersteigerten Ehrgeiz hätte ich beinahe mein Ziel in Form eines gravierenden Flugfehlers zerstört. Durch viel Glück ging das Ganze relativ glimpflich aus und ich konnte die Kurve gerade noch kriegen. Hier nochmals mein Dank an alle Beteiligten und Verantwortlichen des FSV Gerstetten, dass sie mich trotzdem weiter unterstützt haben.

Jetzt war es Zeit an die Prüfung zu denken. Nach Rücksprache mit unserem Ausbildungsleiter habe ich mich dann beim RP in Stuttgart zur Abnahme der praktischen Prüfung angemeldet und es wurde mir für den 11.10.2020 ein Prüfer zugeteilt. Am Prüfungstag standen dann 3 Prüfungsflüge an. 1 Windenstart und zwei F-Schlepp‘s, die ich erfolgreich durchführen konnte. Nach 18 Monaten und 7 Tagen und 217 Start‘s war es endlich geschafft. Ein Traum wurde war.

Ich kann nur jedem empfehlen sich entsprechende Ziele zu setzten und sie konsequent zu verfolgen. Sich nicht von seinem Umfeld abhalten zu lassen auch einmal was Außergewöhnliches anzugehen. Fazit der letzten beiden Jahre: Auch in fortgeschrittenem Alter kann man noch Ungewöhnliches erreichen. Ohne Ziele ist das Leben langweilig. Und meine nächsten Ziele stehen schon an.

Meinen Dank an alle die mich auf diesem außergewöhnlichen Weg begleitet und unterstützt haben. Hier sind auch sehr schöne Freundschaften entstanden, die ich nicht missen möchte.