Urlaub im Cockpit, hoch über der Schwäbischen Alb: zu Besuch bei einem der erfolgreichsten Flugsportvereine des Landes.

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Die Kameradschaft und die Leidenschaft für den Flugsport verbinden, auch über Altersgrenzen hinweg: Georg Zimmermann (im Flieger) gehört mit 15 Jahren zu den jüngsten Flugschülern des Gerstetter Flugsportvereins, rechts neben ihm Sebastian Schinagel, links Jonas Karger. Auch Rüdiger Benz (rechts) war 15, als er erstmals im Cockpit saß – das war 1978. An Pfingsten wird wieder eine Schnupperwoche angeboten. (Foto: Karin Lorenz)

Ein altes Schwarz-Weiß-Foto, es muss ein heißer Sommertag gewesen sein: Fünf Männer stehen mit Schaufeln und Schubkarren neben der Zementmischmaschine – nackt bis auf die Badehosen. Auch auf einem anderen Bild: Zementmischmaschine und Schubkarren. Doch jetzt tragen die Männer dicke Jacken und Wollmützen.

Die Fotos dokumentieren, wieviel Schweiß und harte Arbeit vor allem in den ersten Jahren zur Geschichte des Flugsportvereins gehören. Alles, was irgend möglich, wurde selbst gebaut, sogar das erste Vereinsflugzeug. 1957, eine Doppelraab, zweisitzig, in 1500 Arbeitsstunden zusammengezimmert. Dann der Bau der Flugzeughalle 1963, die Werkstatt und das Fliegerheim 1966. Um die Materialien finanzieren zu können, sammelte man Altpapier, tonnenweise.

Sie waren hart im Nehmen, die Pioniere der Gerstetter Flugsportgeschichte, die am 31. Oktober 1953 begann. Damals taten sich 27 Flugbegeisterte zusammen, um den Verein zu gründen. Zehn Jahre später zählte man bereits über 70 Mitglieder. 120 Mitglieder hat der Verein heute. Dabei ist der Sport noch immer sehr männerdominiert. Nur fünf von 57 aktiven Piloten sind Frauen.

Sechs Segelflugzeuge gehören zum vereinseigenen Flugzeugpark, ein Motorsegler und ein Motorflugzeug. Ausgebildet wird sowohl in Segelflug, als auch in Motorflug. Der Gerstetter Verein zählt zu den besten in Deutschland, man fliegt in der zweiten Segelflug-Bundesliga.

Davon abgesehen: Der Flugsportverein Gerstetten bietet jedes Jahr einwöchige Schnupperkurse „Segelfliegen lernen“ an, der nächste startet in den Pfingstferien.

Während die Flugdauer der Segelflieger anfangs noch in Sekunden bemessen wurde, sind heute Flugdistanzen über viele Stunden und hunderte von Kilometern keine Seltenheit.

Der längste Flug von Gerstetten aus? „940 Kilometer am Stück,“ berichtet Vorstand Rüdiger Benz, der 1978 Vereinsmitglied wurde. 15 Jahre alt war der Heldenfinger damals. Die Rekordroute führte nach Tschechien, dann zurück nach Deutschland, dort noch ein Schlenker über den Schwarzwald. Flugdauer achteinhalb Stunden, bis die Sonne unterging.

Man muss wissen: Mit der Sonne sinkt auch der Segelflieger, denn entgegen der landläufigen Meinung benötigt ein Segelflieger keine Windböen, sondern Thermik, um fliegen zu können – Aufwinde, die entstehen, wenn die Sonne die Erdoberfläche erwärmt. Was ebenfalls kaum bekannt ist: die motorlosen Flugzeuge können erhebliches Tempo aufnehmen. Bis zu 280 Stundenkilometer sind durchaus möglich.

Prinzipiell seien Segelflugzeuge ausgesprochen sichere Fortbewegungsmittel, betont Jonas Karger. Er hat seine Pilotenlizenz seit 2011, 17 Jahre war er da. Kürzlich hat er sich sein erstes eigenes Flugzeug gekauft – gebraucht sind ältere Modelle bereits ab 2500 Euro zu haben – und er will sein Hobby zum Beruf machen: der Heidenheimer studiert Luft- und Raumfahrttechnik.

Was Segelflugzeuge so sicher macht? Karger schmunzelt. „Sie haben keinen Motor, also kann auch keiner ausfallen“, begründet der Experte, „und sie sind sehr stabil gebaut. Sie halten eine Kraft von fünf bis sechs g aus.“ Bei großen Verkehrsflugzeugen hingegen sei bei drei g schon die Belastungsgrenze erreicht. Im Gegensatz zu Motorfliegern könne und dürfe ein Segelflugzeug außerdem auf jeder Wiese und jedem Acker landen. Starten allerdings ist nur von offiziellen Flugplätzen aus erlaubt.

Zu den jüngsten Flugschülern gehört Georg Zimmermann. Der 15-Jährige kam im vergangenen Jahr durch die Schnupperwoche dazu. Dabei lernt er hier nicht nur Fliegen. „Wir bringen unseren Jugendlichen auch das Autofahren bei“, verrät Rüdiger Benz. Zum Fuhrpark gehören ein ehemaliger 40-Tonner, als Zugmaschine mit Winde umgebaut, und ein Traktor.

Bereits 13-Jährige dürfen die Ausbildung zum Segelflugpiloten beginnen. Mit 14 Jahren, nach durchschnittlich 80 bis 100 Starts, ist der erste Alleinflug erlaubt. Neben der Praxis gilt es viel Theorie zu büffeln, über Wetter, Flugzeugtechnik und Gefahrensituationen aller Art.

Zwei Starts pro Tag

Der Schnupperkurs beim Flugsportverein Gerstetten geht vom 14. bis 20. Mai und richtet sich an Interessierte zwischen 13 und 70 Jahren. Vorgesehen sind zwei Starts pro Tag mit Fluglehrern für Segelflugzeuge. Wer übernachten will, kann sich im Vereinsheim einquartieren oder auf dem Gelände campen. Für Verpflegung ist gesorgt. Mehr Infos und Anmeldung unter g.buerkle@fsv-gerstetten.de.

Der Bericht ist mit Zustimmung der
Heidenheimer Zeitung veröffentlich.
Autor: Karin Lorenz